Wie kommen drei Hamburger (Holger, Jens und ich), sechs Berliner (, Andreas, Oliver, Peter, Frank, Conde und Olaf – unser „neuer Helmut“), eine Fränkin (Kerstin) und eine Kölnerin (Frauke), ein Bus aus Quickborn und ein Equipment-Anhänger aus Auerbach nach München? Das erfordert schon ein wenig logistische Planung, ist aber keine unlösbare Aufgabe.
Olaf - der neue Johnny
Ohne größere Staus kommen wir bis Berlin durch und sind schon eine Stunde zu früh am verabredeten ZOB-Treffpunkt. „Sollen wir nicht noch schnell was essen gehen?“ schlage ich vor, „Wer weiß, wann es wieder was geben wird?!“ – „Kein schlechter Plan.“ – „Jedenfalls alle mal besser, als hier eine Stunde im Nieselregen auf der Straße rumzustehen.“ Also setzen wir uns ins Steakhaus mit Blick auf den Bus und locken die nacheinander eintrudelnden Berliner zu uns.
Detlef - der neue Helmut
Als erstes lernen wir Detlef kennen. Da
Helmut jetzt ja in Bregenz ist und dort für die WestSideStory probt,
wird er für die letzten vier Shows von Detlef Bierstedt vertreten.
Ihr kennt Detlef Bierstedt nicht? Doch! Zumindest seine Stimme dürfte
euch wohlig im Ohr klingen: Er ist die deutsche Stimme von George Clooney!
Auch Oliver, Peter und Kalauer-Frank sind
rechtzeitig da und wir können los fahren. Ein zweiter Fahrer steigt
zu uns, denn die Strecke von Hamburg über Berlin nach München
ist so weit, dass wir – wenn wir nur einen einzigen Fahrer hätten
– gezwungen wären, unterwegs eine stundenlange Fahrer-Regenerations-Pause
einzulegen. Damit wir also nicht erst gegen Mittag in München ankommen,
gibt’s den zweiten Fahrer und wir können die ganze Nacht durch fahren.
So ist es recht!
Also lassen wir die ersten Kronkorken ploppen
und stoßen auf die vier vor uns liegenden gemeinsamen Tage an.
![]() |
![]() |
![]() |
|
|
|
![]() |
![]() |
![]() |
|
|
|
Hallo wach!
Olli macht mit Detlef eine kleine Führungs-Tour
durch den Bus und will ihm dabei auch das kleine, versteckt Compartment
unter der Treppe nach oben zeigen, in dem der Busfahrer schläft. Dummerweise
liegt doch auch gerade Olaf drin! „Oups, sorry, ich dachte, Du wärst
mit vorne.“ ;)
Pause auf der A9
Vorschriftsmäßig kramt er erst mal das Warndreieck hervor und baut es in gebührendem Sicherheitsabstand hinter dem Bus auf. Das ist ein schlechtes Zeichen, denn wenn unser Fahrer davon ausgehen würde, dass wir hier gleich wieder weg sind, würde er sich diese Mühe wohl kaum machen. Es dauert dann auch nicht lange, bis Olaf – unser eigentlicher Fahrer – aus seiner Koje hervorgekrochen kommt und sich die beiden gemeinsam am Motor zu schaffen machen. Den kaputten Keilriemen auszubauen ist keine Schwierigkeit, einen neuen (passenden) zu finden und aufzuziehen aber schon. Die beiden mühen sich ganz gewaltig... Peter steht die meiste Zeit mit auf der Straße und macht sich sehr nützlich, in dem er den beiden die Lampe hält.
Schlafen auf der A9
Wir stehen jetzt schon über eine Stunde
hier und es ist mittlerweile 2:00 Uhr morgens. Ich werde langsam müde.
Eigentlich würde ich ja schon gerne mitbekommen, wie diese unsägliche
Geschichte ausgehen wird, aber die Müdigkeit siegt und ich verkrieche
mich in meine Koje. Schön schaukeln tut es ja leider nicht – schließlich
fahren wir ja nicht, sondern stehen rum und die einzige Bewegung kommt
durch die Luftsöge der teilweise ziemlich dicht am Bus vorbeifahrenden
LKWs zustande – aber ich schlafe trotzdem wie ein Stein ein.
nächtliche Reparatur-Aktion
Erst als am nächsten Morgen gegen 10:00
Uhr aufwache und erschreckt feststelle, dass wir noch lange nicht in München,
sondern immer noch auf der Autobahn und erst in der Nähe von Nürnberg
sind, erfahre ich, wie die Geschichte ausgegangen ist:
Irgendwann haben es unsere beiden Busfahrer
geschafft, einen neuen Keilriemen zumindest soweit aufzuziehen, dass sie
den Bus gefahrlos bis zum nächsten Rasthof fahren konnten. Da der
Keilriemen aber nicht wirklich passte, haben wir am Rasthof noch mal angehalten
und dort auf einen Bus-Notdienst gewartet, der schließlich auch kam
und einen neuen Keilriemen aufzog. Dann ging’s endlich weiter.
Logischerweise war dadurch aber der komplette
Zeitplan durcheinander gekommen.
Der hatte nämlich vorgesehen, dass
wir so zwischen 5:00 und 6:00 Uhr früh in Auerbach sind und
dort Kerstin, Conde und unser Equipment einladen. 8:30 Uhr ist es geworden,
bis wir endlich in Auerbach angekommen sind. Das an sich wäre ja nicht
so schlimm. Ärgerlich war nur, dass Kerstin nicht – wie wir dachten
– schlafenderweise auf unseren „Wir sind gleich da“-Anruf gewartet hat,
sondern seit 5:30 Uhr im Auerbacher Industriegebiet saß und auf uns
gewartet hat... Die arme...
Alle Wege führen zum Hotel
Weltpokalsiegerbesieger
Endlich am Hotel angekommen haben wir nur
noch knapp 1 ½ Stunden Zeit, bevor wir uns wieder auf den Weg in
Richtung Tollwood machen müssen. Das reicht gerade für ein mal
schnell duschen oder sich in die Badewanne legen oder um einmal die Betten
der Tageszimmer zu zerwühlen. Schade, es wäre schon nett und
angenehm gewesen, hier ein wenig mehr Zeit zu haben, aber da wird man jetzt
wohl nichts mehr machen können.
Ich schmeiß mich eine Runde in die
Badewanne und mache dann einen kleinen Spaziergang durch den Platzregen
zum Hauptbahnhof, wo ich sofort angequatscht werde. Aus gegebenem Anlass
habe ich heute morgen mein St. Pauli „Weltpokalsiegerbesieger“-T-Shirt
angezogen. (Ihr erinnert euch an den legendären Bundesliga-Sieg von
St. Pauli über die Bayern? Ein legendäres Millerntor-Spiel in
dessen erster Halbzeit Bayern einziger Schuss auf Tor so weit daneben ging,
dass der Ball im hohen Bogen aus dem Stadion flog!!!) Das T-Shirt zeigt
sofort Wirkung: „Warst Du schon mal auf St. Pauli?“ spricht mit ein Typ
mit leuchtenden Augen an. „Klar. Da komme ich her!“ – „Wirklich? Ach...
ich ja auch... Ich bin jetzt seit 1 ½ Jahren in München, aber
bald ziehe ich endlich wieder zurück nach Hamburg!“
Hilfestellung nach Münchener Art
Nachdem Olaf ca. 10 Minuten lang immer wieder
versucht hat, einen neuen Winkel zu winden, in dem er den Bus vielleicht
doch noch um die Kurve kriegt, meint einer der beiden Münchener plötzlich,
„Ach, dann fahre ich den Kombi halt mal weg.“ Uns allen stehen die Münder
offen. Das kann doch nicht wahr sein! Da lassen die uns, bzw. Olaf hier
10 Minuten land (oder länger!) ackern und schwitzen und haben die
ganze Zeit über den Schlüssel für das uns störende
Auto in der Tasche? Das kann doch nicht wahr sein!!!
Nachdem der Kombi weg ist, kommt man ganz
einfach um die Kurve und zack-zack steht der Bus an seinem richtigen Platz.
Wir rollen mit den Augen...
+/- 1.000
Der erste Blick in das Musikzelt ist erschlagen.
Erst vorgestern habe ich erfahren, dass hier nicht „nur“ 2.500 Menschen
reinpassen – diese Zahl war mir monatelang kommuniziert worden – sondern
sogar 3.500! Und wir sind ausverkauft!
Alter Schwede, ist das hier ein riesiges
Zelt!!! Das Zirkus- oder Veranstaltungszelte zwei oder vier Masten haben
können, kennt man ja. Aber dieses Zelt hat ACHT Masten!!! Ich
glaube nicht, dass ich jemals ein so riesiges Zelt gesehen habe. Die Stühle
sind schon aufgebaut und erstrecken sich weiter, als das Auge gucken kann.
Au backe, ob man hinten noch irgendwas wird erkennen können? Ich hab
da ja so meine Zweifel.
Ich drehe eine kleine Runde durch das Zelt
und entdecke auf ca. der Hälfte eine Videoleinwand. Wenn die nachher
überträgt könnte es auch für die hinteren Reihen nett
werden – aber mir hat im Vorfeld keiner etwas von dieser Videoleinwand
erzählt und ich weiß daher nicht, ob sie auch wirklich zum Einsatz
kommen wird. Von unserer Seite ist da jedenfalls nichts eingeplant und
ich glaube kaum, dass man Peters Videokamera mal eben schnell für
so eine Übertagung einsetzen könnte. Oder?!? Wir werden sehen...
Endlich Zeit zum Shoppen!
Zunächst einmal machen sich Conde und
Kerstin an die Arbeit und packen ihre Kisten aus und rollen sie auf die
Bühne. Sie haben es in diesen vier Tagen etwas leichter, weil wir
in allen Venues die örtliche PA nutzen können. Das bedeutet also,
dass sie keine Lautsprecher und keine Lichtanlage mitschleppen und aufbauen
müssen, sondern „nur“ alle, was direkt auf der Bühne steht –
und das ist bekanntlich ja nicht wirklich all zu viel.
![]() |
![]() |
![]() |
![]() |
![]() |
Wir anderen haben in der Zwischenzeit „Freizeit“ und das ist nett, weil das Tollwood ja nicht nur Musik und Entertainment zu bieten hat, sondern ein riesiges Festival ist, auf dem es eine Unmenge an Buden & Ständen gibt: Batik-Klamotten und Flip-Flops, Essen aus aller Welt, Windspiele und Regenmacher, Schmuck und Piercing – eben alles, was zu einem richtig schöne ökologisch angehauchten Festival dazugehört. Man muss sich schon ziemlich zusammen reißen, wenn man hier nicht sein ganzes Monatseinkommen mehr oder weniger nutzlos anlegen will...
Richtige Holzschuhe!
Es gibt heute einen ziemlich ausführlichen
Soundcheck, denn dies ist ja Detlefs erste Show und verständlicherweise
möchte er all seine Szenen und Einsetze gerne einmal durchprobieren,
bevor er vor 3.500 Leuten auf die Bühne muß.
Ich versuche in der Zwischenzeit vergeblich
auf dem Festivalgelände ein paar neue Klocks zu erstehen, denn ich
habe es tatsächlich geschafft, die Sohle meiner Holzschuhe durchzulaufen!
„Gibt es hier irgendwo Klocks?“ frage ich schließlich einen der Verkäufer.
„Bitte was?!“ kommt die Antwort. „Na, Klocks, Klotschen, Botten, Holzschuhe?!“
Offensichtlich begreift er nicht, was ich meine. Schließlich zeige
ich auf meine eigenen Schuhe: „So was hier!“ – „Ach so! Richtige Holzschuhe!
Nein, so was gibt’s hier nicht. In Bayern... nein. Ich hab ja schon mal
gehört, dass die im Norden ziemlich beliebt sind, aber hier wirst
Du nach so was vergeblich suchen...“ Hmmm...
Eine Hamburger in Bayern...
Überhaupt habe ich so weit im Süden
mal wieder meine lieben Probleme. Ich will ja hier nicht über die
Bayern lästern, aber es lässt sich nicht leugnen, dass ich den
ganzen Tag immer und immer wieder auf Menschen treffe, die par tout nicht
begreifen, was ich meine. Die fast schon chronische Antwort, die ich auf
jede von mir gestellt Frage bekomme ist ein verwirrtes „Hä?!“
![]() |
![]() |
![]() |
![]() |
![]() |
|
|
|
|
|
Presseauflauf mit TV und Radio
Nach dem Soundcheck ist dann ein ziemlich
heftiger Presseauflauf. Bei mir hatten sich im Vorfeld nur drei Journalisten
angemeldet, die anderen haben sich scheints direkt über das Tollwood
akkreditieren lassen. Jetzt stehen plötzlich zwei Fernsehteams, drei
Radioteams und mehrere schreibende Journalisten vor mir.
![]() |
|
![]() |
Die Show ist klasse. Erste und letzte Shows einer Tour-Rutsche sind irgendwie immer etwas besonderes. Vermutlich liegt es daran, dass bei diesen Shows nichts Routine ist. Man hat die Show (in diesem konkreten Fall) sechs Wochen nicht mehr gespielt und ist daher schon etwas angespannter. Und das ist genau die Anspannung, die man für eine perfekte Show braucht.
Besuch der Kollegen
Zwischendurch gehe ich auch mal nach hinten,
um zu gucken, wie das mit der Videoleinwand funktioniert. Es gibt nur eine
einzige Kamera, die das Geschehen auf der Bühne verfolgt und es von
dort aus auf die Videoleinwand projiziert. Es gelingt dem Kameramann zwar
nicht immer, den jeweils Sprechenden in Großaufnahme zu zeigen, aber
er macht einen sehr guten Job und ich bin froh, dass so sichergestellt
ist, dass man auch auf den hinteren Plätzen die Show genießen
kann.
Bedingt durch die Videoleinwand gibt’s hier
übrigens ein ganz lustiges Phänomen: Die hinteren Reihen haben
ständig Großaufnahmen der Gesichter vor Augen. Darüber
wird die Mimik viel besser transportiert und in vielen Fällen lachen
die hinteren Reihen lange bevor die vorderen Reihen geschnallt haben, worum
es geht und warum man lachen muß. Das Lachen schwappt also von hinten
nach vorne durch die Halle!
Nachtflug
Nach der Show gibt’s dann noch ein lecker
Essen, bevor wir uns langsam auf den Weg machen. Wir sind diese vier letzten
Showtage ja wieder richtig „Nightliner-mäßig“ unterwegs, schlafen
also nicht in Hotels, sondern im Bus. Die Strecken, die wir zwischen München,
Freiburg, Nürnberg und Salzgitter zu bewältigen haben, sind jeweils
so weit, dass es einfach angenehmen ist, wenn man das Reisen schlafenderweise
erledigen kann. Außerdem ist man so gleich am nächsten Morgen
mehr oder weniger frisch und ausgeschlafen vor Ort und hat den ganzen Tag
Zeit, sich in der Stadt zu vergnügen.
Mit Bus und Bahn
Andreas, Frauke und Jens bilden eine eigene
kleine Reisegruppe. Die drei könnten dem nächtlichen Geschaukel
des Tourbusses und dem Reisegruppen-Flair das dort herrscht, nicht wirklich
viel abgewinnen und fahren lieber per Bahn hinter uns her.
Das ist einerseits zwar schade, weil man
sie so viel seltener zu Gesicht bekommt, andererseits bedeutet uns für
uns aber auch, dass wir im Bus mehr Platz haben – auch nicht das Schlechteste,
denn wenn wirklich alle 14 Betten belegt sind, steht man sich eigentlich
schon permanent im Weg und auf den Füßen.
(Ironischerweise führt diese ungewohnt viele Zeit gerade jetzt dazu, dass es 18:30 Uhr ist und ich immer noch am Tourtagebuch von gestern zu Gange bin... Aber heute scheint kreativ-mäßig eh nicht mein Tag zu sein... Ich ärgere mich schon die ganze Zeit, über das, was ich hier schreibe... Das könnte man alles so viel netter und lustiger schreiben, aber wie ich es auch drehe und wende – das klappt heute irgendwie nicht. Sorry.)
Jedenfalls steigen wir so gegen Mitternacht in den Bus. Und jetzt ist Ninchen dran, Euch ein wenig über die nächsten paar Stunden zu erzählen:
Gastbeitrag von Ninchen:
Hier endet Ninchens Beitrag auch schon wieder. Schade, ich hätte sie gerne noch mehr schreiben lassen, aber irgendwie sind wir heute alle ein wenig kreativgebremst...
Wenn der Spaß schon im Bett liegt...
Und so geht Frank dann mit den folgenden
Worten ins Bett: „Ich muss ins Bett, weil ihr hört sonst Sachen von
mir, die ich gar nicht sagen will. Wenn das die Leute lesen, die denken
doch, „Was ist da los?!“. Darauf Olli: Die denken einfach nur: „So steht
er jetzt da!“
Der übrig bleibende Rest verfällt daraufhin in augenblickliche Schweigsamkeit. Ohne Frank ist es gleich gar nicht mehr lustig.
Heute leider kein Highlight!
Morgen wird alles wieder besser!
Ninchen & Corinna.